DIE EROBERUNG DER STADT (2021)

Listening link to our original radioplay

There is a splendid review by Deutschlandfunk about our Radioplay by Ruth Rousselange; You can listen to it here: review Deutschlandfunk

In the meantime we also adopted out radio play and morphed it into a live show. We performed it twice in Litschau and will do parts of it at the Common grounds Festival on September 10th 2021 in the 14th district. Here is a live impression from the Kultursommer Vienna and Litschau “Hin und Weg”

 

The “Kollektiv Weiter” has created their first original Radioplay. It was done as a “Autorenproduktion” for Radio Ö1, and we are thrilled it will be aired on March 7th ar 23:00. As always it can be streamed for at least another week after that.

Philip Scheiner wrote an inspiring text to it, and there will even be another one which will also be printed in “Gehört” by Ö1:

Verloren zu gehen, verlorengehen auf der Suche nach etwas, das Unterschiede gewĂ€hrt: Ein Mensch flaniert, folgerichtig hat er kein Ziel, bloß Richtungen, die ihn an die Stadt binden und diese ihm entziehen. Verloren geht die Figur durch das Ensemble unverbundener Elemente, sie geht verloren in dem, was sich als urban behauptet. Alexandra PĂązgu formuliert um ihre These, wonach alle Erfolgsgeschichten Geschichten einer nicht ausgedrĂŒckten Verlorenheit seien, die private Mathematik, die uns alle lĂ€hmt wie sie uns brennt, da wir „nostalgisch nach einer unerfĂŒllbaren Zukunft“ sind. In der akustischen Umsetzung dieses Textes der 1985 in RumĂ€nien geborenen Autorin bringt der Komponist und Musiker Florian Kmet versteckte Winkel und augenscheinliche Nischen einer Metropole zum Sprechen, man gewinnt Einblick in die von Gehsteigkante zu Asphalt gewĂŒrfelte Protagonistin einer eben nicht mĂ€rchenhaften Reise in und durch das stĂ€dtische Verlangen nach EntsĂ€ttigung. Dargestellt wird die ErzĂ€hlung von Roman Blumenschein; er sucht PĂązgus Worte in einem Dilemma aus namenloser Verlorenheit und instinkthafter Orientierung im Eigenen, im Wahrscheinlichen, im vielleicht nie beantworteten Fragen: Ist die Stadt schon oder noch mein Inneres? Autorin, Sprecher und KlangkĂŒnstler haben dieses StĂŒck gemeinsam entwickelt, ihre Disziplinen standen in konsequentem Austausch. Text ergab Musik, ergab Sprache, ergab Dramaturgie – und vice versa. Text: Philip Scheiner, Ö1 Hörspielredakteur

aus “Gehört gehört”(03/2021)
Vom Flanieren

Die Stadt, könnte man meinen, ist lĂ€ngst erobert. In steinalten Zeiten wurde beschlossen, dass dort Menschen mit Ambivalenz verfĂŒhrt, gequĂ€lt, berĂŒhrt, ruiniert und inspiriert wĂŒrden. In dem Wissen, dass wir es gerne einfach haben, indes Verstand besitzen, wurde die Stadt gebaut. Ob dereinst ein paar Leute begĂ€nnen, etwas zu verstehen von dem heiligen Grusel?
In Die Eroberung der Stadt unternimmt das Kollektiv Weiter diesen Versuch. Man könnte die Zusammenarbeit einen Staffellauf nennen, work in progress, einen Austausch von Impulsen und Affekten ĂŒber Monate hinweg. Die Autorin, der Schauspieler und der Musiker trafen sich, fanden ein Thema, fanden mehrere, die Autorin schrieb, man hatte Fragmente fĂŒr erste Proben. Die Autorin hört, nimmt ihre Texte neu wahr, schreibt um und weiter, man lauscht den Mitschnitten gemeinsam, verbessert, probt, nimmt auf. In etlichen Runden. Dem Produzenten bleibt noch hinreichend Arbeit, doch was hier seinen letzten Haken in die Zielgerade schlĂ€gt, ist weit gereist.
Man könnte auch sagen, Alexandra PĂązgu, Roman Blumenschein und Florian Kmet (Kollektiv Weiter) haben sich mit dem Flanieren auseinandergesetzt. Flanieren durch StĂ€dte. Dort schallen und rauchen sie einem entgegen, die Namen, die wir allem verleihen (es winkt Herr Staffellauf). Ausgerechnet sie suggerieren raumgreifende AnonymitĂ€t: vielleicht einer der eher reizvollen Aspekte des Urbanen? Macht solche AmbiguitĂ€t mĂŒde? Sind Flaneurin und Flaneur die letzten ihrer Einhornfamilie?
Es kann verflucht einsam sein in der Stadt, nicht nur wenn man mit ihr vor Leere um die Wette gĂ€hnt, um eine weitere leere Flasche. Der drei Akteure wessen Leere mag die grĂ¶ĂŸte sein? Es mehren sich Hinweise darauf, dass Homo sapiens sich gerne mit dem GrĂ¶ĂŸten und dem Kleinsten misst und sich bald nur noch im Funkenflug aus Einsen und Nullen verlieren wird. Mit derartigem Feuereifer gegen Stadt und Flasche – das verspricht ein resches Haucherl Wien. Da könnte dieses StĂŒck auch spielen.
Gut, dass einem nicht nur TrĂŒbsal in den Sinn kommt. Wir teilen die Stadt mit alten Freunden vom Geschlecht der Fragen. So allein ist man nicht, fragt man sich beispielsweise: „Wie beeinflusst dich die Stadt? Wie das Gehen in der Stadt? Was machst du mit deiner Angst vor dem Fremden und dem Unbekannten? Was ist dein Zuhause, was gibt dir Orientierung? Welche Entscheidungen bestimmen deinen Weg? Warum gehen so viele allein?“
Die Autorin Pñzgu, der Schauspieler Blumenschein und der Musiker Kmet haben dem Flaneur Stimme gegeben, Sound, Sprache. Aus der Satzung ihrer Stadteroberung winkt das Postulat: „Die Figur wird von dem, was sie sieht und erlebt, beeinflusst. Sie wird die Stimme des Erlebten, durch sie wird die Stadt zum Klang. Der Flaneur ist erlebte und beschriebene Philosophie. Er ist das Sprachrohr der Stadt.“
Was sich hinter all dem Gewinke verbirgt? Wir winkten jedenfalls zurĂŒck, wie man das heute so macht, wir liken es regelrecht. Das Dopamin winkt sogleich aus den „sozialen“ Medien, man sieht vor lauter Daumen, hach, die Hand nicht mehr. – Nur weg von dort! In ein verloreneres Gehen, ein anders Leeres, das den interessanteren Dialog eröffnet, sofern Flaneurin und Flaneur aufnahmebereit sind. So ging er ĂŒber viele Treffen und Pausen und Sessions und Phasen des Schreibens, der literarisch-musikalisch-stimmliche 
 Staffellauf. Der Titel Die Eroberung der Stadt winkt, senkt die Hand, erzĂ€hlt.
Text: Philip Scheiner, Ö1 Hörspielredakteur

 

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