3sekunden

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Drei Sekunden (2013)

This is my first cooperation with the very special Aktionstheaterensemble.

The piece is about the last three seconds before death. Written by fabulous Wolfgang Mörth. I guess at some point in time a topic for everyone of us. I loved working with Martin Gruber and the whole ensemble a lot.

Premiere Nov. 2013, Spielboden Dornbirn

Director: Martin Gruber
Dramaturgy: Martin Ojster
Music: KMET
Book: Wolfgang Mörth
Actors: Kirstin Schwab, Susanne Brandt, Roman Blumenschein

Press Reviews

Ingrid Bertel, Kultur

Kermit bleibt verschwunden – Unter dem Titel „Drei Sekunden“ ergrĂŒndet der Bregenzer Autor Wolfgang Mörth zusammen mit dem aktionstheater ensemble die Körperwelten der Angst

„Fear is a man’s best friend“ sang einst John Cale. Man muss sich die Angst aber nicht gleich zur Freundin machen; es reicht schon, wenn sie sich als Vertraute einschleicht – eine Vertraute, die man lieber nicht hĂ€tte und die doch jeder kennt. In Martin Grubers Inszenierung huscht sie durch herabhĂ€ngende Neonröhren, die das FĂŒrchten strukturieren wie ein Barcode: das Leben – ein Konsumprogramm, das wir freudlos und verstört abspulen.

Ein Kind hat sein liebstes PlĂŒschtier, Kermit, den Frosch, verloren und sucht ihn lieber nicht unterm Autositz – denn dort könnte er nicht sein und dann wĂ€re alle Hoffnung vorbei. Eine Mutter will ihren außer Rand und Band geratenen Sohn „freilassen“, zur Adoption freigeben. Eine Frau schickt detaillierte E-Mails ihrer Schmerzen an den Chirurgen, der die Operation versaut hat. Ein Mann schlĂ€gt die Stirn wieder und wieder blutig – Flatz ohne Kunstambition, purer Verzweiflung ausgeliefert. Zwischendurch trĂ€umt eine Pilotin davon, den Jumbojet sicher zu landen, wĂ€hrend sie zuvor zum Gaudium des Publikums alle erdenklichen Katastrophenvarianten aufgezĂ€hlt hat – Action ist unterhaltsam, solange sie auf die Kinoleinwand beschrĂ€nkt bleibt.

Eingesperrt im eigenen Körper

Aus Erinnerungen und Beobachtungen baut Wolfgang Mörth sein Universum der Ängste, meist in leise ironischer Distanz. Er habe die SchauspielerInnen gebeten, dazu auch eigene Beobachtungen und Erlebnisse beizusteuern, meint Regisseur Martin Gruber. Das Ergebnis ist ein Kaleidoskop bewegter Monologe, die ihre PrĂ€senz in erster Linie aus der Körpersprache der Akteure beziehen. Denn nie ist der Mensch so sehr auf seine Körperlichkeit reduziert wie in Momenten, da die Angst ihn beutelt. Nie ist er so unfĂ€hig zum Dialog, zum Zuhören. Nie so sehr eingesperrt in sich selbst.

Atemlosigkeit und SchweißausbrĂŒche, Zittern, Geschrei, wilde Verrenkungen prĂ€gen denn auch das Spiel von Susanne Brandt, Kirstin Schwab und Roman Blumenschein, wobei sich Schwab als besonders beweglich und mit Komik begabt erweist. Roman Blumenschein bekommt dafĂŒr den Part eines SĂ€ngers, denn es gibt reichlich Musik in „Drei Sekunden“. Der Gitarrist Florian Kmet fĂŒgt einen Popsong ein, und es entsteht ein gemeinsamer Moment des Ausatmens, der stillen Trauer.

Echokammern des GedÀchtnisses

Mit zwei Loop-GerĂ€ten fĂ€ngt Kmet die Laute der Angst ein, schickt sie durch die Echokammern des GedĂ€chtnisses. Denn auch wer einen bestimmten Schmerz, eine prĂ€zise zu verortende Angst nicht kennt: der Körper des Menschen ist ein GedĂ€chtnis, das weiter reicht als die konkrete Erfahrung. „Drei Sekunden“ spitzt dieses Wissen zu, bis es dem einzelnen Zuhörer, der einzelnen Zuseherin schmerzhaft ins Herz sticht. Vielleicht gibt’s fĂŒr Kermit ja einen Muppet-Himmel. FĂŒr uns gibt’s da oben nur Boeings mit Killerviren an Bord. DafĂŒr hier unten ein befreites GelĂ€chter: Wer fĂŒrchtet sich vor einem Witz!

Christa Dietrich, Vorarlberger Nachrichten

Keine Frage, ein Autor und ein Regisseur haben hier den besten Musiker gefunden. GlĂŒck wird uns im Moment bewusst; wie lange es dauert, bis sich Angst wieder verflĂŒchtigt, mögen Experten feststellen. FĂŒr die QualitĂ€t eines Theaterabends, der solche Themen behandelt, mag die titelgebende Zeit – nĂ€mlich „Drei Sekunden“ – nicht maßgeblich sein, bedeutender ist die Tatsache, dass Ensembleleiter Martin Gruber im Österreicher Florian Kmet einen Gitarristen bzw. Komponisten und Musiker gewonnen hat, fĂŒr den Zeit kein Faktor ist. Dass er Muse genug hatte, seine vielgepriesenen, live erzeugten Klanginstallationen nicht nur der Ästhetik des Aktionstheaters anzupassen, sondern auch der Sprache von Wolfgang Mörth, das hat zu einem Ergebnis gefĂŒhrt, das das Publikum am Samstagabend am Dornbirner Spielboden entsprechend feierte.

„Autofahren finde ich wahnsinnig geil“, lĂ€sst Mörth die Schauspielerin Kirstin Schwab sagen, „du kannst dich nicht eine Sekunde auf etwas anderes konzentrieren, sonst bist du tot. Du musst einfach immer nach vorne schauen, auf die nĂ€chste Kurve, die nĂ€chste Sekunde, die nĂ€chsten drei Sekunden, immer am Limit.“ Autofahren mĂŒsse man mit dem Hintern, heißt es. Komplexe Gedanken gingen dem Drehen des Lenkrads voraus, doch: „Wer verschwendet einen Gedanken ans Gehirn, wenn er denkt?“

Dieses diffuse GefĂŒhl

Wer der Angst als Faktor von der Geburt bis zum Tod einen Text widmen will, muss viel draufhaben. Mit Beispielen gibt sich Wolfgang Mörth dabei nicht ab, ausschließlich in Monologen konfrontiert er das Publikum mit diesem diffusen GefĂŒhl. Sei es der Schmerz, das UnverstĂ€ndnis oder die Teilnahmslosigkeit der Mitwelt, sei es der Verlust der Freundschaft, der banale Verlust eines Spielzeugs, die konkrete oder die nicht definierbare Gefahr, das imaginierte UnglĂŒck, der bewusst herbeigefĂŒhrte Schock, die Lust am Gruseln oder das unausweichlich Grausame – der Autor agiert jeweils absolut wertfrei, aber mit ungemeiner sprachlicher Genauigkeit. Mörths Texte sind zu schön, zu vielschichtig, zu klug aufgebaut, um sie in theatralischen Wiederholungen zu zerstĂŒckeln oder mit Sound zu ĂŒberdecken. Das weiß Martin Gruber als Regisseur, das berĂŒcksichtigt Florian Kmet als Musiker, und das beherzigen die Schauspieler Roman Blumenschein, Susanne Brandt und Kirstin Schwab in jeder Sekunde.

Mitunter lassen sie die Sprache still weiterwirken, da nehmen die leise Bewegung und die Musik in diesem Raum von Felix Dietlinger, der nur mit ein paar Leuchtröhren auskommt, dann das Gesagte auf – durchaus in Loops und durchaus bis zur Schmerzgrenze.

Mit großer Wirkung

Und da erinnert man sich dann an die Theatermechanismen der 1990er-Jahre an der stilprĂ€genden Berliner VolksbĂŒhne, als man Sequenzen bis zum Zerbersten wiederholte.

Martin Gruber nimmt sie auf, ĂŒberfĂŒhrt sie so sanft wie intelligent in ein Raum-Bewegungstheater mit großer Wirkung. StilprĂ€gend braucht es nicht zu sein.

Im Leben ist die Angst kein guter Ratgeber. Das sagt man zumindest so schon lĂ€nger. Auf der BĂŒhne kann sie es sein. Das erlebt man nun bei „Drei Sekunden“.